Ein neues Leben beginnt, fernab vom Alltag und den lieb gewonnen, eingefahrenen Gewohnheiten.
Waschen und Kochen erfordert umdenken. Handwäsche ist angesagt mit ausschließlich kaltem Wasser. Die Frauen im Dorf waschen im Fluss oder am Brunnen ihre Wäsche. Als Waschmittel wird Seife verwendet. Wasser, z.B. für eine warme Dusche oder zum Haare waschen muss über dem Feuer oder mit Gas erwärmt werden. Oh wie lobe ich mir hier meine warme Wasserleitung zu Hause, Wasserhahn auf und das warme Wasser steht allzeit zur Verfügung.
Auch unser Frühstück hat sich massiv verändert. Kaffee ist in Nepal sehr teuer. Es gibt nur löslichen Kaffee zu kaufen, allerdings nur in der 2 Std. entfernten Stadt, nicht im Dorf. Kaffeemaschinen gibt es gar nicht. Mein Mann muss auf sein geliebtes Früchtefrühstück verzichten.
Meist sind nur Bananen, manchmal auch Zitronen im Dorf erhältlich. Im Dorf wird Tee in allen Varianten getrunken, meist mit Milch und viel Zucker. Vom Nachbar können wir Buffallomilch beziehen, letztens haben wir aber vergeblich auf die allmorgendliche Milch gewartet – die Katze hatte die Milch weggeputzt :-). Eier können wir bei jedem Bauer einkaufen, ebenso Kartoffeln, Brokkoli und Blumenkohl. Zwiebeln und Knoblauch, Tomaten sowie Linsen und Reis gibt es ohne Einschränkungen.
Bei Karotten gibt es hier schon Probleme. Brot ist kaum erhältlich. Auf Reis und Bananenfrühstück kann ich mich noch nicht einlassen :-). Jotti kocht uns abends immer Dal Bat (Reis mit Gemüse und Linsensuppe). Hier in Nepal gibt es 2 Mahlzeiten täglich, morgens um 10 und abends zwischen 17 und 20 Uhr jeweils D a l B a t. Große Abwechslung im Essen ist hier nicht angesagt. Nach 3 Wochen haben wir bereits massive Gelüste auf ein anderes Essen.
Im Ort haben wir einen kleinen Imbiss gefunden, hier können wir „Snacks“ wie Momo (Teigtaschen mit unterschiedlichen Füllungen), Choemin (Nudeln mit Gemüse) aber auch ein nepalesisches Bohnengericht (Zona) essen :-).
Morgens habe ich ca. 1 Stunde Fußweg in das nächstgelegene Dorf zurückzulegen. Die unbefestigten Straßen stauben unglaublich, da es hier in dieser Jahreszeit nur selten regnet.
Es ist bereits wunderbar warm(25-30 Grad). Meist liegt das Tal morgens noch im Nebel, die Sonne löst diesen aber allmählich auf. Manchmal zeigen sich majestätisch der Daulagiri und das Annapurnamassiv, beeindruckende 8000-er , dazu der Machupuchre, zwar „nur“ 7000m aber imposant wie das Matterhorn und ganz nah.
Eine Vielzahl von unbekannten Vögel- und anderen Tierlauten bringen mich täglich zum Stauen. Sogar eine Affenherde konnte ich auf meinem allmorgendlichen Weg zum nächsten Dorf bestaunen. Im Moment gibt es unglaublich viel Nachwuchs, die Ziegen mit ihren Zicklein, die Hennen mit ihren Küken, die Buffalos- die Fortpflanzung geschieht hier noch auf natürlichem Wege.
Sehr genieße ich meinen allmorgendlichen Fussweg ins nächste Dorf Sankkhe, Entschleunigung pur.
Bambushaine, Ackerfelder und Reisfelder, Flüsse, entastete Bäume (die Tiere hier werden mit Blättern, nicht mit Gras gefüttert), Ziegenherden und farbig gekleidete Frauen säumen meinen Fußweg. Die Berglandschaft ist wirklich atemberaubend. Der Misthaufen wird hier noch mit den Händen in Körbe gefüllt und – mit einem Stirnriemen am Kopf getragen – auf die Felder gebracht.
Kleine Bewässerungskanäle versorgen die frisch ausgesäten Reisfelder mit Wasser. Die Äcker werden noch mit Ochsen und per Pflug umgegraben. Überall werde ich freundlich von den Dorfbewohnern v.a. den Kindern mit Namaste (wörtlich: ich grüße das göttliche in dir) gegrüßt. Alle Schüler tragen Schulkleidung, die Mädchen sind generell sehr zurückhaltend und trauen sich kaum, englisch zu sprechen. Die Jungs dagegen sind offener, ihr Englisch ist zum Teil aber sehr schwer zu verstehen (aufgrund der Aussprache: sie sprechen sehr schnell ohne Punkt und Komma und ihre Intonation unterscheidet sich erheblich von unserer). Viele Erwachsene sprechen gar kein oder nur sehr wenig englisch.
Die Menschen im Dorf sind sehr arm und die hygienischen Zustände für uns Europäer unvorstellbar.
Derzeit arbeite ich im Health Post mit und versuche mir einen Überblick über den Bereich Frauengesundheit, Safe Motherhood und Familienplanung zu verschaffen. Die hygienischen Zustände sind absolut ungewohnt für mich. So hat z.B. eine werdende Mutter einen Teil ihres Fruchtwassers auf der grünen fleckigen Auflage der Patientenliege verloren, die Auflage wurde bis heute weder gewaschen nicht ausgewechselt?
Es gibt einen Gesundheitsposten (health post) in dem die Regierung und Phoolbarri (NGO Non Government Organisation) derzeit gemeinsam ihr Personal untergebracht hat. Hier ordinieren 1 Arzt, 2 heath assistants (3 jährige Ausbildung), insg. 3 assistant nursing midwifes (Hebamme/Krankenshwester, 1,5 jährige Ausbildung), 1 L.A. lab assistant ( Laborant 1,5 jährige Ausbildung) sowie 2 A.H.W. assistant health worker (1,5 jährige Ausbildung).
Die behördlichen Präsenz Zeiten im health post sind von 10:00 14:00 Uhr. Danach können die Patienten die health assistants sowie die Hebamme (A.N.A. wg. 25 jährige Berufserfahrung nun Status Nurse) in ihren Privatpraxen (offener Medikamentenladen an der Straße) aufsuchen.
Von den health assistants werden unglaublich viele Medikamente verordnet. Oftmals werden bis zu 3 unterschiedliche Antibiotika hintereinander verschrieben. Resistenzen wurden bereits ausgebildet. Zwei Ärzte vor Ort versuchten bislang vergeblich, diesen Medikamentenabusus zu unterbrechen. Hier glauben die Patienten, dass sie nicht gesund werden können, wenn sie wenig oder keine Medikamente verordnet bekommen. So konsultieren sie nach dem Arztbesuch ihre health assistants um die „erforderliche“ Medizin zu erhalten.
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Über den NGO-Verein Phoolbaari wird derzeit das Krankenhaus gebaut.
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Die Arbeiter, zum Teil aus Indien und schon seit ca. 1 Jahr vor Ort, leben und arbeiten auf der Baustelle. Bislang konnte ich mich nicht überwinden, die Toilette dort zu benutzen. Die meist ungelernten Arbeiter verdienen um die 500 Rupies (ca. 5 Euro täglich).In den Räumen wird gekocht, geschlafen und gearbeitet. Ein Stromgenerator versorgt die Baustelle mit Elektrizität, vorausgesetzt er funktioniert.
Es gibt bis heute nur sehr wenig Werkzeug, weder eine Bohrmaschine noch einen Schubkarren zum Beispiel. Hier tragen die Männer die Steine oder das Baumaterial in Körben am Kopf zur Baustelle. Alles kann und darf nicht mit deutschen Standards verglichen werden. Eine Wasserwaage wurde heute über einen deutschen Ingenieur geordert. In 5 Tagen soll die Eröffnung sein und es gibt noch unglaublich viel zu tun. Ca. 1500 Menschen wurden zur Einweihung des neuen Hospitals geladen, auch die deutsche Botschafterin wird kommen. Es bleibt spannend, wird das Krankenhaus rechtzeitig fertig? Auch wir helfen alle mit, streichen die Wände und erledigen sonstige Arbeiten.
Ab Eröffnung des Krankenhauses werde ich versuchen, im Bereich Hygiene neue Standards einzuführen. Dies wird sicherlich nicht einfach sein. Schritt für Schritt soll den Frauen in der Umgebung eine eigene Krankenstation im Hospital zur Verfügung gestellt werden. Auch dies wird kein leichtes Unterfangen, da die Frauen bei gesundheitlichen Problemen seit Jahren ausschließlich ihre Hebamme Tila konsultieren, welche nicht mit ins neue Hospital wechseln wird. Tila wird weiterhin für die Regierung im health post Gebäude arbeiten. Da sie nur die Präsenzzeiten (10:00-14:00 Uhr) im health post einzuhalten hat, kann sie weiterhin in ihrer Privatpraxis ordinieren.
Ganz neu war für mich die nepalesische Geburtshilfe. Die Hebamme Tila, die Nurse Jaljala, manchmal auch Babita (die Hilfsassistentin) betreuen die gebärenden Frauen.
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Der Arzt ist bei Frauenangelegenheiten meist außen vor und wird nur im Notfall hinzugezogen. Sämtliche weiblichen Familienmitglieder (auch mit Kindern) begleiten die gebärende Frau zum health post. In der Krankenstation wird gegessen und geschlafen. Der werdende Vater hingegen bleibt zu Hause.
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Das ganze Dorf nimmt Anteil, laut wird verkündet, wie weit der Muttermund schon geöffnet ist (erst 5 cm, das dauert noch ….). Auch wird verkündet, ob es ein Junge oder ein Mädchen geworden ist. Bereits nach 3-4 Stunden gehen die meist sehr jungen Frauen mit ihren Babys, Müttern, Schwestern und sonstigen weiblichen Familienangehörigen wieder nach Hause. Die Nabelschnur verbleibt am Kind, i.d.R. ohne sterile Abdeckung. Die Mütter werden angehalten, nach 10 Tagen zur Kontrolluntersuchung und Fädenentfernung den health post wieder aufzusuchen.
Die Frauen stillen hier im Dorf ihre Kinder i.d.R. bis zu 2,5 Jahre lang. Ein Mädchen hat eine geringere Wertigkeit als ein Junge. Der Junge verbleibt auch nach der Heirat in der Familie und versorgt später auch seine Mutter und den Vater. Die Tochter verlässt mit der Heirat ihre Familie und lebt fortan bei der Familie ihres Ehemanns. Unglaublich, wie viel die Frauen hier im Dorf arbeiten müssen während viele Männer ihre Zeit mit Würfelspielen und Alkohol trinken (meist billigen Schnaps) verbringen. Viele männliche Dorfbewohner haben m.E. Alkoholprobleme. Vereinzelt gibt es auch Frauen, welche trinken. Irgendwie wird es hier von den Frauen ohne weiteres toleriert, nur sehr selten werden die Männer öffentlich beschimpft oder angehalten, nicht mehr zu trinken. Ein Grund für den hohen Alkoholkonsum ist sicherlich, dass es im Grunde so gut wie keine Facharbeit und feste, tariflich bezahlte Anstellungen gibt. Wer nicht seinen Unterhalt mit einem bisschen Landwirtschaft, die aber kaum zum Leben reicht, verdient, verdingt sich gelegentlich als Bauarbeiter, Fahrer oder Ähnlichem, oder versucht wie viele seiner Konkurrenten mit einem kleinen Laden sich über Wasser zu halten. Viele Männer gehen auch ins angrenzende Ausland um dort meist für mehrere Jahre zu arbeiten.
Soweit mein heutiger Zwischenbericht.
bis bald,
Eure Brigitte
Und hier noch einmal alle Bilder dieses Berichts im Überblick:
Hallo ihr Lieben,
vielen Dank für die tollen Erfahrungsberichte. Wir lesen und staunen oder staunen und lesen. Wir hoffen und wünschen, dass es Euch gut geht trotz der vielen europäischen Entbehrungen. Ein sehr bewährtes Mittel gegen Kopfläuse ist eine Raspel-Kurz-Haar-Frisur 1mm :-) und lausen wie ein Affe. Viele liebe Grüße aus Heidenheim – fühlt euch gedrückt und geknuddelt Bis bald Anne&Christoph