Nach unserem Trekking erwarteten uns neue Herausforderungen.
Wir hatten entschieden, dass Herbert auf weiteres ganz in der Monastic School (im buddhistischen Kloster nähe Pokhara) den Englischunterricht der Mönche übernimmt. Ich hingegen wollte im Bergdorf Bakhal (ca. 2,5 Stunden mit dem Bus von Pokhara entfernt) wohnen bleiben und im health post und im Phoolbaari Hospital (im Dorf Sankke) im Bereich Frauengesundheit weiter mitarbeiten und nur an den Wochenenden im Kloster mithelfen. Für mich bedeutet dies aber jedes Wochenende die anstrengende Reise mit dem Bus (je nach Verbindung war ich bis zu 8 Stunden unterwegs) auf mich zu nehmen und „alleine“ im Bergdorf zu sein. Leider muss ich zugeben, dass mir das doch etwas zu schaffen macht und mir etwas Angst bereitet.
Doch so wie sich hier in Nepal alles irgendwie fügt, wurde mir Calpana zur Seite gestellt. Sie lebt mit mir unter der Woche im Phoolbaari Haus und kocht auch manchmal für mich. Leider spricht sie nur sehr wenig Englisch, dennoch können wir an den Abenden (i.d.R. ohne Strom) irgendwie kommunizieren.
In Nepal haben wir derzeit sehr hohe Temperaturen, welches die hygienischen Verhältnisse nicht unbedingt fördert. Ich hatte bereits mehrfach mit Durchfallerkrankungen zu kämpfen, obwohl ich sehr darauf achte, was ich esse.
Erschwerend kommt hinzu, dass es unglaublich viele Streiks in Pokhara und Umgebung gibt. Für die Menschen hier ist es von großer Bedeutung, dass sie auf der Straße ihre Rechte einfordern.
Der Straßenverkehr, welcher schon an sich aufgrund der schlechten Straßenverhältnisse sehr zäh verläuft, ist dann allerdings gänzlich lahmgelegt und man wartet und wartet und wartet …………..
Da ich für mein Bergdorf mindestens 4 verschiedene Busse nehmen muss, ist mein Wochenendausflug nach Pokhara und zurück oftmals sehr nervenaufreibend. Manchmal fährt ein Bus, oftmals ist es aber reine Glückssache, einen Anschlussbus zu bekommen.
Im buddhistischen Kloster / Monastic School Pal Ewam Namgyal
Auch hier wurden wir sehr herzlich aufgenommen. Zu sehen auf dem unteren Bild ist der Schulleiter des Klosters, Legshey, mit den Jungmönchen.
Hier lebt man anders: bereits um 5:30 Uhr werden die Mönche geweckt und noch vor dem Frühstück wird gebetet und gesungen. Unbekannte Klänge und stereotypartige, chorale Gebetsmelodien. Die Mönche haben eine strikte Zeitregelung und Rituale (z.B. für das Gebet, die Unterrichtsstunden, das Essen, die Ruhezeiten etc.). Derzeit sind ca. 60 Jungmönche ab dem 5. Lebensjahr im Kloster untergebracht.
Herbert hat großen Spaß hier im buddhistischen Kloster zu unterrichten. Die Mönche sind interessiert, diszipliniert und sehr lernwillig. Es ist auch für den Unterricht von großem Vorteil, dass die Klassenstärke max. bis zu 10 Schülern beträgt.
Leider liegt auch die Gesundheit der Jungmönche im Argen. Meist kommen sie mit Pilzerkrankungen, div. Hauterkrankungen, eitrigen Subinfektionen am ganzen Körper und am Kopf, Scarbiesbefall (Würmer unter der Haut), und Würmern (im Darm) von Mustang nach Pokhara.
In Mustang, welches über das ganze Jahr sehr kalt ist, wird auf Körperhygiene wie Duschen wenig Wert gelegt. Seit unserem Trekking kann ich das gut nachvollziehen. Es ist bitter kalt in den höheren Bergregionen von Nepal und die Dorfbewohner waschen sich am nahe gelegenen Brunnen im Freien bei bitterer Kälte.
Bald nach unserer Ankunft zeigten die Mönche uns ihre wunden Stellen meist am ganzen Körper. Aufgrund des permanenten Juckreizes konnten sich die infektiösen Stellen schnell auf dem Körper verbreiten.
Wir sind Dr. Bikash vom Phoolbaari sehr dankbar, dass er sich unentgeldlich bereit erklärt hat, für die Mönche individuelle Behandlungspläne aufzustellen. Diese sind sehr umfassend und nehmen täglich mehrere Stunden in Anspruch. Täglich kommen neue infizierte Mönche hinzu.
Die Behandlungen bestehen aus Antibiotikagaben, Tabletten gegen Scarbies und Pilze, Tabletten gegen Juckreiz, speziellem Shampoo für die entzündete und schuppige Kopfhaut, antifungizide Lotionen für die infizierten Stellen, regelmäßigem Duschen mit antiseptischer Seife und … und … und … . Auch die Bettwäsche und die Kleidung muss regelmäßig gewaschen werden. Mittlerweile bin ich geübt in Abszessen eröffnen und ausdrücken. Also Vorsicht ihr Lieben zuhause, zeigt mir keine ähnlichen „Wehwehchen“, ich mach mich dann sofort ans Werk :-)
Zum Glück hilft Lilly, unser junger Volonteer aus Deutschland hier kräftig mit – sie übernimmt die Pflege während der Woche eigenständig. Ursprünglich wollte sie Englisch im Kloster unterrichten. Da sie später Medizin studieren möchte und eine kontinuierliche Behandlung der Mönche erforderlich ist, hat sie sich nun bereit erklärt, ausschließlich in der medizinischen Versorgung mitzuarbeiten.
Der Erwerb der Medikamente ist auch immer abenteuerlich. Oftmals müssen mehrere pharmazeutische Shops aufgesucht werden, um die erforderlichen Medikamente zu erwerben. Der Preis ist auch von „Apotheke zu Apotheke“ unterschiedlich.
Dorfleben in Bakhal
Wir haben neue Nachbarn bekommen. Das leerstehende Haus von nebenan ist nun gefüllt mit jungen und alten Dorfbewohnern. Oftmals höre ich sie bis tief in der Nacht irgendwelche Geschichten erzählen. Im Garten wird gekocht, gespült und kommuniziert.
Die Straßen sind durch die Trockenheit unglaublich staubig, Erdrutsche sind an der Tagesordnung. Gegen späten Nachmittag stellt sich dann meist ein starker Wind ein, welcher den Staub hoch in die Luft wirbelt.
Leider ist in unserem Bergdorf in Bakhal momentan kein Unterricht möglich. Ein Sturm hat das Blechdach der Schule in die umliegenden Bäume gewirbelt. Es fehlen die Gelder, um das Schulgebäude neu decken zu lassen. Die Kinder wurden zwischenzeitlich in umliegende Schulen in Dchabbdi und Sankke verteilt.
Alltag im health post
Weiterhin helfe ich sehr gerne auch im health post in Sankhe mit. Hier kommen die Frauen zum ANC (prenatal check up = Antenatal check up), Delivery (Geburten), zur Familienplanung (3 Monats Spritze, Spirale, Einlegen eines Rings bei Uterusprolaps, Schwangerschaftsunterbrechung etc.). Vorerst wird die Frauengesundheit wohl ausschließlich im health post abgedeckt bleiben.
Nach mehreren Monaten Aufenthalt fand sich eine Frauengruppe zur „Fortbildung“ im health post ein. Auf meine Nachfrage, was denn ihr Aufgabengebiet sei, erklärte mir der Staff, dass es sich um freiwillige Helfer aus den umliegenden Dörfern handle. Diese erhalten ca. 4 x jährlich eine Schulung im Gesundheitsbereich, verfügen aber über keine medizinische Ausbildung (wie health assistant worker oder ähnliches). An diesem Unterrichtstag wurde die Erkrankung Lungenentzündung bei Kindern behandelt. Die female volenteer helper sind vor Ort auch für die Nachsorge der jungen Mütter (falls diese den Kontakt herstellen), für Impfungen, Diagnostik und Behandlungen von Erkrankungen der Kinder und Erwachsenden zuständig. Sie führen auch Impfungen durch.
In den nächsten beiden Wochen ist ein Aufenthalt von mir bei einer female volenteer helper Gruppe vor Ort geplant.
Mein Fussweg ins Phoolbaari Hospital hat sich verändert und ist wunderschön. Die Reisfelder wurden eingesät und mit Jungpflanzen bestückt. Mit jedem Tag kann ich beobachten, wie schnell der Reis wächst. Das zarte Grün hat die Landschaft verändert. Kleine Bewässerungskanäle sorgen für die nötige Feuchtigkeit.
Darf ich vorstellen: das Bild unten zeigt unsere neue Hebamme und Krankenschwester Laxmi vom Phoolbaari Hospital. Sie ist 24 Jahre alt und wird wahrscheinlich im Herbst schon heiraten. Sie hat ihre Ausbildung beendet und nun steht ein neuer Lebensabschnitt an. Das bedeutet leider, dass sie uns bald wieder verlassen wird.
Die Bürokratie in Nepal ist „grausig“. Laxmi hat ihren Bachelor in Nursing und Midwifering. Da sie aber die Qualifikation SBA (skilled birth attendant) nicht vorweisen kann, welches eine 2 monatige Qualifikation in Midwifering (ca. 500 Euro) beinhaltet, erhält unser Hospital keine Zulassung für Geburten. Das bedeutet, dass die Frauen zwar im Hospital gebären können, aber die entscheidenden 1400 Rupien nicht erhalten. Deshalb gehen die werdenden Mütter immer noch in den veralteten und unhygienischen Health Post.
Phoolbarri Hospital, die erste werdende Mutter stellt sich vor
Große Aufregung herrschte im Phoolbaari Hospital, als sich die erste werdende Mutter mit starker Wehentätigkeit bei uns vorstellte. Die Mutter hatte am Vortag noch auf dem Feld gearbeitet und der Muttermund war bereits fast vollständig geöffnet. Sie ist 24 Jahre alt und es war ihre zweite Schwangerschaft. Auch als wir sie informiert hatten, dass sie kein Geld vom Staat (bis zu 1400 R = 14 Euro) bekommt, wenn sie bei uns entbindet, ließ sie nicht von ihrem Vorhaben ab. Leider lief unsere erste Geburt im Hospital nicht so ab, wie wir uns diese gewünscht hätten. Die werdenden Mutter war erst in der 30 Schwangerschaftswoche und ziemlich schnell war klar, dass es sich um eine Mehrlingsgeburt (im Ultraschall waren Zwillinge sichtbar), somit um eine Risikogeburt handelte.
Leider war der Ambulanzfahrer nicht vor Ort und somit konnten wir einen Transport nach Pokhara (mit Frühchenstation) nicht sofort vornehmen. Ein großes Problem war auch, dass die Dorfstraße wegen Erdrutsch gesperrt und somit nur bedingt befahrbar war.
Als wir den Transport endlich vornehmen konnten, war das erste Frühchen bereits in den Geburtskanal gerutscht. Starke und regelmäßige Wehen ließen die Geburt immer weiter fortschreiten, gefährdeten aber die Babys auch massiv.
Die Fahrt ins Krankenhaus (mit Dr. Bikash, Laxmi und mir) verlief für mich sehr dramatisch – jeden Moment rechneten wir damit, anhalten zu müssen, um das erste Baby zur Welt zu bringen. Die schlechten Straßenverhältnisse machten auch der werdenden Mutter sehr zu schaffen. Mit einer Taschenlampe kontrollierten wir regelmäßig, ob vielleicht nicht doch schon das erste Babyköpflein durchgebrochen war.
Mein Stresslevel war nahe 100, als der Ambulanzfahrer während der Überfahrt auch noch tanken musste und wir wertvolle Zeit verschwendeten.
Schlussendlich schafften wir es rechtzeitig ins Krankenhaus. Eine erfahrene Hebamme nahm sich auch gleich unser an.
Die Geburt fand unmittelbar nach der Ankunft statt. Ein Wärmebett wurde für die vermuteten Zwillinge vorbereitet. Das erste Frühchen war ein Mädchen, 1500g schwer, das zweite Baby ein Junge mit 1400g. Die Hebamme versuchte bereits die Plazenta zu lösen als ein weiteres kleines Händchen zum Vorschein kam. Die Aufregung war groß, ein weiteres Mädchen mit 1000 g wurde auf natürlichem Wege geboren.
Nach einer Stunde erst wurden die Babys auf die Intensivstation verlegt und wir wurden mit den Kosten konfrontiert. Die Babys atmeten zwar selbstständig, bedürfen aber einer 24 Stunden Überwachung. Pro Tag muss die Familie mit ca. 5000 R (= 50€) rechnen. Mit einer Mindestaufenthaltsdauer von einem Monat ist zu rechnen. Die Dorffamilie kann dies unmöglich finanzieren, somit bin ich derzeit mit einem deutschen Verein in Verbindung, welcher sich sehr für Waisenkinder in Nepal engagiert. Natürlich ist unsere NGO Phoolbaari involviert. Im Moment ist die Unterbringung für 4 Tage gesichert- wie es weitergeht ist noch offen. Was mich immer wieder sehr berührt ist, dass ein Menschenleben hier wenig zählt, wenn die Krankenbehandlungen nicht bezahlt werden können. Die Babys würden mit ihrem derzeitigen Gewicht entlassen werden und meiner Einschätzung nach würden sie es nicht überleben. Das Leben in einem Bergdorf ist unglaublich hart. Weder die hygienischen Verhältnisse, noch die Ernährung der Kinder, noch die medizinische Versorgung wäre gesichert- schrecklich.
Wir arbeiten daran und hoffen sehr, den Frühchen eine fortlaufende Unterbringung im Hospital zu ermöglichen.
So das war’s für heute,
seit alle lieb gegrüßt zu Hause,
Eure Brigitte und Herbert
Hi Biggi und Herbert
wie gut geht es uns hier in unserem schönen, geordneten und sauberen
Deutschland. Ich habe euren Bericht über die Drillingsgeburt gelesen,
schon erschreckend diese Zustände.Toll finde ich euren Einsatz, trotz
der Gefahren und katastrophalen Umständen.
Freue mich schon auf euren persönlichen Bericht in der Pfalz oder am Bodensee,
noch viel Kraft für die euren restlichen Aufenthalt. :) :) Lg Silke & Peter
Hallo Ihr beiden,
das sind ja dramatische Augenblicke die Ihr uns da geschildert habt.
viele Grüsse aus Kressbronn
Eure Schapfl’s